Viele werden sich noch an den beeindruckenden Besuch erinnern, den der ehemalige Gutenbergschüler Paul Kester im April 2010 seiner ehemaligen Schule abstattete. Er war gekommen, um als Zeitzeuge den SuS aus seinem Leben zu berichten, ihnen mitzuteilen, was es für einen 13-jährigen bedeutete, als jüdisches Kind ab 1938 die Schule nicht mehr besuchen zu dürfen und schließlich – völlig auf sich gestellt – nach Schweden zu emigrieren, in eine völlig ungewisse Zukunft.
Tief betroffen stand Herr Kester im Anschluss an seinen Vortrag vor den Erinnerungsblättern, die das Aktive Museum Spiegelgasse von seinen Schulkameraden und Freunden Leo Kahn, Erich Neumann und Paul Gutmann (alle im Konzentrationslager ermordet) erstellt hatte und die bereits seit einigen Jahren an einem zentralen Platz der Schule hängen.
Im Gepäck hatte er damals ein Foto, das 8 fröhliche Mädchen am Tag ihrer Bat Mitzwa zeigte, darunter seine Schwester Lena Kleinstrass. Es war die letzte Bat Mitzwa-Feier, die in der Wiesbadener Synagoge gefeiert wurde, man schrieb das Jahr 1938 und im November des gleichen Jahres brannte die Synagoge bis auf ihre Grundmauern nieder.
„Das Fest am 5. Juni 1938 war unsere letzte schöne Familienfeier. Alles, was danach kam, war nur noch traurig“, sagte Paul Kester damals. Ihn bewegte aber vor allem die Frage: „Was ist aus den Mädchen geworden?“
Diese Frage interessierte auch die Mitarbeiter des AMS, Inge Naumann-Götting und Giesela Kunze – und umfangreiche Recherchen begannen, um das Schicksal der auf dem Foto Abgebildeten zu klären.
Die Ergebnisse präsentieren sich derzeit eindrücklich in den Ausstellungsräumen des AMS.
Diese Gelegenheit wollte eine 6.Klasse, die im Deutschunterricht gerade die Lektüre „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ liest, nutzen, um vor Ort Näheres von den kompetenten Fachleuten der Recherche zu erfahren.
Bereits im Vorfeld hatten Kleingruppen Informationsblätter zu Beate Berney, Beate Friedmann, Helga Hirschbrandt, Inge Klaus, Lena Kleinstrass, Margot Lahnstein, Emmi Milmann, Gerti Rosenau und Friedel Weil zusammengestellt und in der Klasse aufgehängt, weitere Neuigkeiten aus dem Museum sollten hinzugefügt werden.
Das Interesse an der Thematik und den unterschiedlichen Schicksalen war bei den SuS schließlich so groß, dass ein weiteres Treffen zwischen einer Mitarbeiterin des AMS und der Schülergruppe zur Beantwortung der vielfältigen Fragen in der Schule selbst vereinbart wurde.
Im Anschluss an den Besuch der Ausstellung fand noch eine Führung am Mahnmal statt, um auf eine weitere Form der Erinnerungsarbeit hinzuweisen, aber auch um den Kindern den Platz der ehemaligen Wiesbadener Synagoge zu zeigen.
Insgesamt haben die SuS an diesem Vormittag Geschichte in einer sehr anschaulichen Form erlebt.
Vielen Dank allen, die dazu beigetragen haben!
Gudrun Zitzke-Klöckner