Professor Frank Nonnenmacher liest am 23.2.2023 für die Q4
Warum hat Ihr Onkel Ernst in der Zeit der Bundesrepublik nach 1949 nicht über seine Erlebnisse im KZ erzählt? Warum haben so viele über ihre schrecklichen Erfahrungen geschwiegen?
War Ihr Vater Gustav Nonnenmacher als Flugzeugführer nicht auch ein relevanter Teil des Systems? Was hat er damals über das NS-Regime gewusst? Wie hat er später dazu gestanden?
Solche Fragen prasseln im Verlauf der Veranstaltung auf Professor Nonnenmacher ein, nachdem er im ersten Teil der Lesung aus seinem Buch „Du hattest es besser als Ich“ in Auszügen vorgelesen hat und vor allem die Geschichte seines Onkels Ernst Nonnenmacher eindrucksvoll schildert. Ernst wurde 1941 als „Asozialer und Wehrunwürdiger“ in das KZ Flossenbürg und später in das KZ Sachsenhausen gebracht, wo er Geschosskörbe flechten musste. Er überlebte die Torturen dieses Aufenthaltes, wurde jedoch in der Nachkriegszeit nicht als Opfer des NS anerkannt. Sein Schweigen über lange Jahre brach er erst in Gesprächen mit seinem Neffen Frank Nonnenmacher. Dieser kämpft bis heute für die Anerkennung der verleugneten Opfer des Nationalsozialismus – und war damit mittlerweile auch erfolgreich: Dank seiner Petition und Initiative werden die Träger des grünen und schwarzen Winkels mittlerweile seit Februar 2020 als Verfolgte des Nationalsozialismus vom Bundestag anerkannt.
Für die Schülerinnen und Schüler der Q4 klingt einiges aus dem Geschichtsunterricht vertraut, vieles – insbesondere, was die alltäglichen Schikanen durch die SS angeht – jedoch nicht. Nonnenmacher versteht es, in seinen Erzählungen und Lesungen die Zeit der Weimarer Republik und des NS-Regimes lebendig werden zu lassen. Auch die 50er und 60er Jahre mit ihren Verdrängungsversuchen sind ein Thema in der anschließenden Diskussion in der Aula der Gutenbergschule: Warum wurde die Verfolgung der NS-Verbrechen durch die Alliierten so schnell aufgegeben? Warum die Bundesrepublik 1955 so schnell wiederbewaffnet?
In dem Gespräch mit den Schüler:innen stellt sich Frank Nonnenmacher offen all diesen Fragen, so dass in der zweiten Hälfte der Veranstaltung ein reger Austausch stattfindet.
Hier einige Stimmen aus dem Publikum:
„Den Vortrag fand ich zutiefst berührend und sehr authentisch. Auf persönlicher Ebene sah man sich in die Geschichten hineinversetzt, da er von seiner eignen Familie erzählte. Dabei habe ich es besonders geschätzt, dass er die Taten dieser nicht nur gutredete, sondern seine ehrliche Meinung preisgab: Dass er z.B. seinen Vater zunächst als schwach angesehen hat wegen dessen Kollaboration mit den Nationalsozialisten.“ Maja
„Das Thema war sehr interessant! Ich hätte mir gewünscht, es wäre noch mehr auf die KZ-Erlebnisse eingegangen worden. Teilweise fehlte mir der Transfer zur heutigen Zeit.“ Luis
„Am interessantesten war die Diskussion über die Verhaftungen der Kollaborateure des NS-Regimes. Auch spannend war z.B. die Geschichte des Schnapsdiebstahls im KZ und die Anmerkungen, auf welche Art und Weise die Überlebenschancen im KZ erhöht werden konnten.“ Luisa
„Sehr informativ und spannend! Er machte einen teilweise sehr radikalen Eindruck, wenn man seiner Meinung auch nur minimal entgegenstand.“ Lennart
„Sehr gut fand ich, dass er Auszüge aus seinem Buch vorgelesen hat und Unklarheiten sofort aufgegriffen hat. Zudem war er souverän und authentisch. Er hat auch vielfach Humor gezeigt und durchgängig eine für mich passende Haltung.“ Anne-Sofie
„Man hat ihm gerne zugehört, er hat vieles ausgeführt und besaß ein gutes Wissen. Auch konnte er auf etliche Nachfragen solide und präzise Antworten geben.“ Leo
„Am meisten bewundere ich an ihm, dass er seine Verantwortung, die Geschichte seiner Familie und vor allem seines Onkels, weiterzutragen, gesehen hat und dies nun voller Leidenschaft tut.“ Maja